Innovations- und Wachstumsinitiative

Macht mal einen Schritt zurück – Lob und Kritik aber richtig

– Wer die Vergangenheit nicht kennt, der ist verdammt sie zu wiederholen. –

Unternehmen, jungen wie alten, mangelt es häufig an Zeit und Geld. Folglich wird der Fokus nur nach vorn ausgerichtet und der kurze Blick in den Rückspiegel vergessen.

Dabei werden viele Vorteile übersehen und unterbewertet, die so ein Rückblick für Verbesserungen zukünftiger Arbeitsergebnisse und der Mitarbeiter-Moral bietet.

Hier sollen kurz beispielhaft einige Methoden des Rückblicks vorgestellt und deren Nutzen gewürdigt werden:

  • der Incident-Report
  • die Retrospektive als alleinstehendes Werkzeug
  • die Retrospektive im Zusammenhang von Scrum

Bisheriger Umgang mit Rückblicken

Wenn ein Meeting nicht die Planung oder Umsetzung von Produkten oder Dienstleistungen zum Ziel hat, wird es häufig als zeitraubend empfunden. Es geht darum, was machen wir als nächstes, wie setzen wir es um.

Wenig Zeit wird dabei dem Rückblick eingeräumt. Abgeschlossene Projekte werden viel zu selten auf gute Leistungen oder auch auf Probleme und Schwierigkeiten untersucht. So werden herausragende Dinge nicht genug hervorgehoben, weder als Motivationsquelle genutzt, noch zur Nachahmung empfohlen, Fehler sowie Problemquellen nicht erkannt und abgestellt.

Bisheriger Umgang mit positiven Leistungen

Sind positive Leistungen selbstverständlich? Nein – insbesondere Innovationen gedeihen nicht überall. Fehlende Wertschätzung lassen den getriebenen Aufwand als nicht lohnenswert erscheinen. Wozu sich krumm machen, wenn man noch getreten wird? Auch scheinbar einfache Arbeiten können bei schneller, qualitativ hochwertiger Ausführung einen enormen Mehrwert für das Unternehmen bewirken. Viele Unternehmen lernen dies erst wertschätzen, wenn der Mitarbeiter demotiviert seine Arbeit nur noch widerwillig macht oder sogar entnervt gekündigt hat. Dann zu reagieren ist meist zu spät.

Ein Lob, eine Auszeichnung, eine Feier zur rechten Zeit können Wunder bewirken, sie können aber auch nach hinten losgehen, wenn sie als künstlich oder den falschen betreffend empfunden werden.

Besser ist es, wenn den Mitarbeitern glaubhaft vermittelt wird, wie wertvoll ihr Einsatz im Unternehmen ist und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt werden kann, das guten Einsatz herausfordert und beflügelt.

Bisheriger Umgang mit Fehlern

Der Volksmund sagt: „Irren ist menschlich“ und so sollte man meinen, dass der Umgang mit Fehlern eine einfache Sache ist. Fehler sind dazu da, dass man sie macht und daraus lernt.

In vielen Unternehmen zeigen sich im Umgang mit Fehlern noch 2 Extreme:

Im ersten Extremfall heißt es, einen Fehler einzugestehen bedeutet sich ins Abseits zu stellen. Zukünftige Arbeiten werden kritisch beäugt und man sieht sich schwierigen Ansprachen ausgesetzt. Um künftig dieser Erfahrung aus dem Weg zu gehen werden entsprechende Mitarbeiter also versuchen gemachte Fehler zu vertuschen, zum Nachteil des Unternehmens, welches nicht direkt darauf reagieren kann und schlimmstenfalls weniger Einsatz zeigen, um Fehler zu vermeiden – wer nichts macht, macht keine Fehler.

Im zweiten Extremfall hat ein Fehler keine bis wenig Konsequenzen. Der Fehler liegt in der Vergangenheit, ist abgehakt. Sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen bringt keinen Umsatz, konzentrieren wir uns auf die nächste Herausforderung.

Beide Extrema führen zum selben Ergebnis. Die Lehre aus dem Fehler geht dem Unternehmen verloren, ggf. werden Fehler wiederholt und ziehen weitere nach sich.

Eine Arbeitsatmosphäre in der ein Mitarbeiter oder auch ein Vorgesetzter Möglichkeiten hat seine Fehler mitzuteilen, ohne sich persönlich zu belasten oder gar angeklagt zu werden, die aber eine inhaltliche Aufarbeitung zulässt, wäre zu bevorzugen.

Integration des Rückblicks in die Unternehmenskultur

In US-Amerikanischen Unternehmen ist der Blick in den Rückspiegel ein Standard-Vorgehen und integraler Bestandteil als Selbstkorrektiv.

Hier finden sich einige der Verfahren, die implementiert, eine entsprechende Arbeitsumgebung schaffen können:

  • der Incident-Report
  • die Retrospektive als alleinstehendes Werkzeug
  • die Retrospektive im Zusammenhang mit Scrum

Incident Report

Der Incident-Report hilft, wenn ein entsprechendes Gremium von Empfängern existiert, um auf größere Incidents (Vorfälle) zu reagieren. Diese können von Arbeitsunfällen, bis zu organisatorischen Fehlern oder auch IT Problemen reichen.

Der Verursacher oder auch der Entdecker stellt einen Report mit folgendem Inhalt dar und tut sie dem Empfänger-Gremium kund:

  1. Vorarbeit: Fakten Sammlung (Befragung von Beteiligten, Analyse der Arbeitsumgebung und vorherrschenden Bedingungen)
  2. Was ist passiert (detaillierte Beschreibung des Ablaufs)
  3. Analyse (Gründe und Begleitfaktoren warum es zu dem Vorfall kam)
  4. Abschätzung von Schadenshöhe oder Schadenspotenzial
  5. Ergriffene Maßnahmen und Maßnahmenvorschläge zur Vermeidung weiterer Vorfälle

Siehe auch (Training, 2017).

Das Empfänger-Gremium kann dann weitere Schritte zur Schadensbegrenzung in die Wege leiten. Im Idealfall können weitere Aktivitäten wie:

  • Durchführungen von Schulungen,
  • einsetzen von Warnhinweisen oder
  • Prozessänderungen

eingeführt werden. Wichtig ist, dass Änderungen gut kommuniziert werden, da dies das Vertrauen der Melder in das Funktionieren des Systems stärken und sie sich eher dazu bereitfinden, auch zukünftig auf Fehler hinzuweisen. Fühlt sich ein Mahner nicht gehört, stellt er bald das Rufen ein.

Fazit

Der Incident-Report stellt eine institutionalisierte Form des Umgangs mit Fehlern dar. Der Entdecker oder Verursacher weiß unmittelbar wohin er sich wenden kann, welche Informationen benötigt werden. Gleichzeitig wird er diese Informationen dazu verwenden die ersten direkten Hilfsmaßnahmen selbst in die Wege zu leiten.

Das Vorhandensein eines Incident-Reports setzt auch ein Zeichen gegenüber den Mitarbeitern, dass die Unternehmensleitung sich der Möglichkeit von Fehlern bewusst ist und sich für einen offenen Umgang damit entschieden hat.

Die Retrospektive (kurz: „Retro“)

Eine Retrospektive stellt eine Rückblende auf die geleistete Arbeit in einem bestimmten Zeitraum oder Arbeitsabschnitt dar.

Es gibt die verschiedensten Ansätze für eine Retrospektive. Ein einfacher Weg sei hier kurz erklärt.

Wer an einem Retro teilnehmen sollte, richtet sich nach der Zielsetzung. Es können das beteiligte Team, einzelne Personen oder auch teamübergreifend Personen mit einbezogen werden.

Insbesondere bei Projekten empfiehlt es sich, neben den Akteuren auch Vertreter der (Key-)Stakeholder einzuladen. Es hilft dabei den Effekt der Arbeitsweise und -ergebnisse nicht nur auf die Beteiligten, sondern auch auf die vom Projekt Betroffenen zu evaluieren.

Es ist wie beim Rührei mit Schinken – Das Schwein ist betroffen, das Huhn ist nur beteiligt.

Diese Form des Retro findet in 3 Phasen statt:

  1. Sammlung
  2. Bewertung
  3. Ableitung

Sammlung

Es sollte ein Moderator festgelegt werden, der von den Teilnehmern bezogen auf den Betrachtungszeitraum Aussagen aus 2 Kategorien sammelt:

  • Was lief gut?
  • Was lief schlecht?

Es empfiehlt sich diese Kategorien an eine Tafel zu schreiben und reihum die Teilnehmer zu befragen was sie einbringen möchten. Dabei ist darauf zu achten, dass jeder Teilnehmer zunächst bevor er eine Aussage in „Was lief schlecht?“ bringen darf, auch mindestens eine Aussage für „Was lief gut?“ liefern muss. Dies hilft den Beteiligten sich auch auf die guten Aspekte zu konzentrieren und nicht nur die (leichteren) negativen Seiten zu betrachten.

Der Moderator sollte zu dem auf die Nettikette, den Fokus sowie die Vermeidung von Diskussionen zu diesem Zeitpunkt achten. Kritik sollte sachbezogen, nicht persönlich geäußert werden.

Ebenfalls empfehlenswert ist die Setzung eines Zeitrahmens für die Phase, um eine straffe Durchführung zu ermöglichen.

Bewertung

Nach dem alle Aussagen gesammelt wurden, befragt der Moderator nun die Teilnehmer, wie wichtig ihnen die Aussagen sind und ob sie ihnen zustimmen oder nicht. Das Ergebnis markiert er mit „+“ oder „-“ an der jeweiligen Aussage. Hier können im begrenzten Rahmen Diskussionen zugelassen werden.

Ziel der Bewertung ist es herauszufinden, welche Aussagen von der Gruppe als relevant und korrekt angesehen werden. Dies ist nötig, um für die folgende Phase die relevanten Ausgangsdaten zu haben.

Ableitung

Es folgt die Phase der Ableitung. Auf Basis der relevanten Ergebnisse der Bewertungsphase wird zunächst diskutiert, wie man die herausgefundenen positiven Aspekte reproduzieren kann. Diese Ansätze schreibt man in eine neue Spalte:

  • Nächste Schritte

Anschließend wird besprochen wie sich die negativen Aspekte zukünftig vermeiden lassen. Diese Ergebnisse werden ebenfalls in die „nächste Schritte“ Spalte geschrieben.

Damit hat man eine Liste von Schritten die bei der Arbeit bis zum nächsten Retro umgesetzt werden sollten. Bei konsequenter Umsetzung verbessert sich das Arbeitsergebnis kontinuierlich, zudem wächst das Verständnis der Erwartungen untereinander, was zu einer Verringerung von Reibung und zu einer angenehmeren Zusammenarbeit führen kann. Aus einer „Ich-Sicht“ wird eine „Wir-Sicht“.

Fazit

Die Retrospektive ist ein Mittel, welches die Arbeitsverhältnisse nachhaltig verbessern kann. Sie entfaltet ihre beste Wirkung bei mehrfacher Anwendung im selben Personenrahmen. Aber auch bei einmaligen Aktionen kann sie relevante Einsichten bringen, da sich vielleicht Teile der Aktion wiederholen und die Informationen noch Nutzen bringen können.

Wie jedes Verfahren benötigt das Retro Übung. Die ersten Runden werden sich länger gestalten und es wird einige Reibungsverluste geben. Nach einigen Wiederholungen werden sich diese Anfangsschwierigkeiten jedoch minimieren, dafür wird sich der gewünschte Effekt in den Vordergrund stellen – Übung macht den Meister!

Scrum und Retrospektiven

In vielen agilen Managementmethoden darunter auch bei Scrum findet sich am Abschluss eines Zyklus ein Retro. Leider wird dieses häufig ausgespart. Einige der Gründe wurden oben schon erwähnt. Die nächste Scrum-Runde schließt sich unmittelbar an die vorherige an. So entsteht ein gewisser Zeitdruck für die Planung. Zudem benötigt man für das Retro einige Voraussetzungen. Diese müssen bereits im Verlauf des Scrum-Zyklus geschaffen werden, fehlen diese wird ein Retro unattraktiv.

Was ist Scrum?

Die meisten Unternehmer wissen inzwischen was Scrum ist, viele wenden es mehr oder weniger erfolgreich im Unternehmen an. Kurz umrissen handelt es sich um eine Form agiler, nutzerzentrierter Planungs-, Priorisierungs- und Abarbeitungs- Methodik für kleine Teams, meist aus der IT-Entwicklung.

In dieser Methode werden gewünschte Kundenabläufe (User Stories) gesammelt, nach Sinn und Zweck beschrieben, sowie anschließend in einer Liste absteigend nach Priorität (was liefert den meisten Mehrwert) sortiert. Dies geschieht durch den Scrum-Master. Er sollte die Zielgruppe sehr gut kennen und wissen was von ihr benötigt wird. Des Weiteren braucht er die direkte Entscheidungsgewalt, um bei Beschlüssen nicht erst selbst lange Rückfragen zu müssen.

Das mit der Umsetzung beschäftigte Team nimmt sich vom oberen Ende der Liste die User Stories und bewertet diese entweder nach einem Punktesystem oder nach der benötigten Arbeitszeit.

Dabei entnimmt und bewertet es so lange User-Stories, wie es meint das es die Arbeiten im aktuellen Scrum-Zyklus (i.d.R. zwischen 2-4 Wochen) unterbekommt, sowie noch ein paar mehr. Hier hilft es eine Punktzahl oder Gesamtzeit für die Runde festzulegen, die das Team zur Verfügung hat. Ohne diese Aufwandsschätzung wird sich das Team regelmäßig übernehmen oder unterfordern.

Im Anschluss beginnen sie mit der Abarbeitung der Aufgaben, wobei sie sich wo möglich gegenseitig unterstützen und beraten, so dass eine optimale Lösung für das Kundenproblem gefunden wird.

Zum Abschluss des Scrum-Zyklus kommt es zu einer Retrospektive in der analysiert wird, ob die gefundenen Lösungen den Kundenwünschen entsprechen (eine Art Abnahme), außerdem wird darüber gesprochen, wie der abgelaufene Zyklus im Team verlaufen ist.

Nicht geschaffte, niedrig priorisierte, Aufgaben werden zurück in den Aufgabenpool gelegt und der neue Zyklus wird gestartet.

Die Bedeutung der Retrospektive bei Scrum

Was am Abschluss vieler Scrum-Runden herauskommt? Neben einer Vielzahl guter Ergebnisse passieren z.B. einige der folgenden Dinge:

  • Viele Aufgaben wurden nicht geschafft/Es waren weniger Aufgaben als man hätte schaffen können
  • Einige leichte Sachen wurden geschafft, große, obwohl höher priorisierte Aufgaben sind nicht angegangen worden/Nur eine oder mehrere schwierige, hoch priorisierte, Aufgaben wurden bearbeitet, leichte aber nicht
  • Das Ergebnis der Arbeit entspricht nicht den Vorstellungen
  • Ein relevantes Teammitglied war nicht verfügbar, daher war eine Aufgabe nicht lösbar

Über die Gründe ließe sich trefflich spekulieren, diverse Lösungsansätze (auch bereits im Scrum-Konzept bedachte) diskutieren und von außen Ratschläge geben. Klar ist nur, dass wenn solche Ergebnisse häufiger auftreten das volle Potenzial des Teams nicht genutzt wird und man sich auf den Output des Scrum-Zyklus bei zeitlichen Planungen nicht verlassen kann.

Um dies abzustellen, sollte sich das Scrum-Team inkl. Scrum-Master am Abschlusstag der Scrum-Runde Zeit für das Retro nehmen. Ähnlich dem oben angesprochenen Schema „Was lief gut?“, „Was lief schlecht?“, „Was wollen wir zukünftig machen?“ sollten sie schauen wie man den Prozess optimieren kann.

Besonderes Augenmerk ist auf nachstehende Themen zu legen:

  • Güte der User Stories (Verständlichkeit, Erfolgskriterien konkret genug)
  • Güte der Schätzung (zu leicht genommen/zu schwer genommen)
  • Wurde die Gesamtpunktzahl/Gesamtzeit für den Zyklus korrekt festgelegt (zu hoch/zu niedrig)
  • Alle Abhängigkeiten aufgelöst (waren alle Aufgaben lösbar, weil Voraussetzungen bereits geschaffen wurden)
  • Kenntnisverteilung (sind alle Kenntnisse die nötig sind vorhanden bei einer ausreichenden Anzahl Personen?)
  • Ausreichender Zeitfond (Genug Zeit am Tag für die Arbeit im Scrum-Team? Gibt es Ablenkungen/Nebenprojekte)

Fokus sollte hier auf die Auswertung positiver Beispiele gelegt werden. Das Team sollte sich feiern dürfen. Dies stärkt den Teamzusammenhalt und erlaubt die nächste Scrum-Runde gut gelaunt mit den neuesten Erkenntnissen anzugehen.

Fazit

Scrum funktioniert auch ohne Retros – das volle Potenzial kann es jedoch erst mit der Rückschau entfalten. Die Teams, die sich regelmäßig den Retros stellen und die Lehren daraus umsetzen, werden sich in Hinsicht Planungssicherheit, Output und Arbeitszufriedenheit deutlich von den Teams abheben, die dies nicht tun.

Zusammenfassung

Der Umgang mit Lob und Kritik ist nicht leicht, im Arbeitsalltag, unter dem Druck Fortschritte zu machen, werden gute Ergebnisse selten gesehen, noch seltener gewürdigt.

Kritik trifft gern den Falschen, Fehler werden gar nicht betrachtet oder hängt einem als langfristiges Stigma an.

Spezielle Auszeichnungen oder Feiern mögen die Moral kurzfristig heben, können aber auch Missgunst hervorbringen.

Die Integration von Retrospektiven sowie von Fehlermeldeprozessen, wie dem Incident-Report, in die Unternehmenskultur schafft es bei regelmäßiger Anwendung sowohl die Verstärkung positiver Effekte als auch die Verringerung von Fehlerquellen im Unternehmen.

Wie jede neue Methode benötigt man bei der Einführung etwas Fingerspitzengefühl und Übung. Wenn man sich von Anfangsschwierigkeiten nicht abschrecken lässt zeigen sich bald gut sichtbare Ergebnisse.