Innovations- und Wachstumsinitiative

Prokrastination und OKRs

Intro

In Unternehmen kommt es an manchen Stellen zu Verschiebungen, die rational nicht begründbar sind. Insbesondere Aufgaben die schwierig sind oder die Gefahr bergen sich zu blamieren werden erst auf die letzte Minute erledigt oder wenn es keinen Termindruck gibt gar nicht.

Frei nach dem Motto: „Was du heut‘ nicht kannst besorgen, das verschiebe doch auf Morgen!“

Dieses Phänomen, dieses Herausschieben, von wichtigen Aufgaben nennt man wissenschaftlich Prokrastination.

Inspiriert von einem Ted Talk zum Thema Prokrastination von Tim Urban aus dem Jahre 2016 soll hier aufgezeigt werden, dass mit Hilfe von Zielsetzungsmethoden wie den OKRs (Objectives & Key Results) den schlimmsten Auswirkungen der Prokrastination entgegengewirkt werden kann.

Es handelt sich allerdings um keine psychologische Beratung.

Die Prokrastination

Prokrastination – bekannt als die „Kunst“ des Aufschiebens – betrifft jeden, sagt Tim Urban in seinem Ted Talk von 2016. (Für das Lesen dieses Artikels empfiehlt sich das kurzweilige und erkenntnisreiche Video anzuschauen. Weiter zu Ted Talk geht es hier!)

Nicht-Prokrastinator Gehirn mit „Rationalem Entscheidungsträger“ (Urban, 2019)

Nicht-Prokrastinator Gehirn mit „Rationalem Entscheidungsträger“ (Urban, 2019)

Die Rede ist hier natürlich von Prokrastination in einem Maße die nicht zwingend psychologisch therapiert werden sollte, sondern eben das Herausschieben wichtiger Aufgaben bis ein Termin drückt, während man sich einfacherer Aufgaben widmet, die aber an sich geringere bis gar keine Priorität haben. Zur Versinnbildlichung wie es dazu kommt postuliert Tim Urban die Existenz von 2 Akteuren im Gehirn des Prokrastinators, den „Rationalen Entscheidungsträger“ und den „Sofort-Belohnungs-Affen“. Beide konkurrieren darum die Handlungen des Prokrastinators zu beeinflussen.

Der „Rationale Entscheidungsträger“ sorgt für Planung und regelmäßige Abarbeitung von Tätigkeiten, auch wenn diese unangenehm und schwierig sind, solange er erkennt, dass es zum Vorteil des Mensc

hen ist, den er steuert.

Prokrastinator Gehirn mit „Sofort-Belohnungs-Affen“ und „Rationalem Entscheidungsträger“ (Urban, 2019)

Prokrastinator Gehirn mit „Sofort-Belohnungs-Affen“ und „Rationalem Entscheidungsträger“ (Urban, 2019)

Der „Sofort-Belohnungs-Affe“ auf der anderen Seite mag keine schwierigen Aufgaben.

Er lebt im Hier und Jetzt, kennt kein Gestern und kein Morgen, schon gar keine langfriste Pl

anung. Er liebt einfache Dinge, die angenehm sind und Spaß machen.

Bei einem Prokrastinator übernimmt der „Sofort-Belohnungs-Affe“ sehr häufig das Steuer und verdrängt den „Rationalen Entscheidungsträger“ wodurch sich der Prokrastinator mit scheinbar unwesentlichen Dingen beschäftigt.

Wenn der „Sofort-Belohnungs-Affe“ nun aber so übermächtig wäre, wie könnte der Prokrastinator denn überhaupt wichtige, schwierige Dinge zu Wege bringen?

Tim Urban bringt eine weitere Figur ins Spiel, das

„Panikmonster“.

Panikmonster“ (Urban, 2019)

Dieses taucht auf, wenn sich ein Projektabgabetermin nähert, man mit ernsthaften Konsequenzen wie öffentlichem Gesichtsverlust, Strafe oder schlechter Bewertung rechnen muss.

Das „Panikmonster“ ist das einzige wovor der „Sofort-Belohnungs-Affe“ Angst hat und was diesen vertreiben kann. Plötzlich kann der „Rationale Entscheidungsträger“ wieder ans Steuer und der Prokrastinator ist in der Lage voll konzentriert, hintereinander weg zu arbeiten und ein Erge

bnis zu erzielen, was ihm noch einen Tag zuvor unmöglich war.

So schafft es auch der Prokrastinator Deadlines einzuhalten und ein mehr oder weniger gutes Resultat abzuliefern.

Wenn dies nur immer funktionieren würde, so gäbe es wenig darüber zu schreiben.

„Panikmonster“ vertreibt „Sofort-Belohnungs-Affe“ (Urban, 2019)

Allerdings weist Tim Urban daraufhin, dass nicht alle Projekte und Arbeiten mit Abgabeterminen, Deadlines oder sonstigen Ablaufdaten versehen sind.

Einen neuen Geschäftszweig zu entwickeln, das Thema Digitalisierung endlich anzugehen, diese Dinge haben kein richtiges Datum. Es kann gut gehen oder nicht – es ist schwierig und wenn kein Druck von außen kommt, kann man es auch noch im nächsten Monat, nächsten Quartal oder auch nächsten Jahr angehen.

In solchen Fällen wird das Panikmonster nicht aktiv. Es gibt keinen Zwang fertig zu werden, ja nicht einmal zu beginnen.

Wie damit umgehen? Tim Urban meint durch diese Form der Prokrastination, bei der Projekte kein definiertes Ende haben, kann es passieren, dass diese nie begonnen bzw. nie zu Ende geführt werden.

Hier kann eine alternative Art der Zielsetzung helfen.

Zielsetzungsstrategien

Zunächst sollten überhaupt Ziele gesetzt werden. Sollte eine Vision existieren, lassen sich diese davon ableiten.

Dabei sollte vom Großen zum Kleinen vorgegangen werden. Allerdings auch nicht zu viele Ziele gesetzt werden, weil auch eine Überzahl an Zielen lähmen kann.

Tut man dies und hält die Ziele geheim, ist leider auch nichts gewonnen. Der „Sofort-Belohnungs-Affe“ behält weiter das Steuer fest in der Hand.

Erst das Offenlegen der Ziele und auch der geplanten Maßnahmen setzt einen endlich unter den Zugzwang der das „Panikmonster“ hervorrufen kann. So zumindest das Publikum, mit welchem man die Ziele geteilt hat, einem soviel Respekt abnötigt, dass man meint das Gesicht zu verlieren, wenn man der Zielerreichung nicht nachkommt.

OKRs

Die Managementmethode der OKRs vereinigt diese Anforderungen, um der Prokrastination zu begegnen.

Die Abkürzung OKRs steht für „Objectives & Key Results“ also Ziele und Schlüssel-Ergebnisse. Dabei werden diese Objectives mit der Frage verbunden „Was soll passieren?“ und die Key Results mit der Frage „An welchen Punkten machen wir die Zielerreichung messbar fest?“.

Bei dieser Methode werden Unternehmensziele und Ergebnisse festgelegt und davon abgeleitet. Diese unterscheidet man in „Mondschüsse“ („Moonshots“) und „realistische“ Ziele. „Mondschüsse“ sind überambitionierte Ziele, deren Erreichung unwahrscheinlich ist. „Realistische Ziele“ sollten erreicht werden. Während sich das Unternehmen also im Wesentlichen mit der Abarbeitung der „realistischen OKRs“ beschäftigen sollten, sind die Mondschüsse dafür da, die Phantasie zu beflügeln, Kreativität zu fördern und das Unternehmen über seine bestehenden Fähigkeiten hinaus zu wachsen zu lassen.

In jedem Fall sollten die OKRs gemeinsam erarbeitet werden. Dies sollte Top-Down, aber auch Bottom-Up passieren. Weder Abteilungsgrenzen noch Hierarchieebenen sollten dabei beachtet werden. OKRs können quer durch das Unternehmen diskutiert und in Frage gestellt werden und ggf. abgeändert werden. Damit dies nicht willkürlich geschieht, ist ein Rhythmus wichtig. So können jährliche OKRs mit quartalsweisen OKRs kombiniert werden. Es sind aber auch andere Zyklen möglich.

Am Beginn des jeweiligen Zyklus werden die OKRs festgelegt.

Während der Zyklen die Ergebnisse mit Erreichungsgrad getrackt und unterstützt, wenn individuelle Ziele im Erreichungsgrad zurückliegen. In regelmäßigen Abständen sollte ein Gespräch über die Zielerreichung der OKRs mit Vorgesetzten oder auch mit Kollegen auf gleicher Hierarchiestufe (Peer-Review) stattfinden.

Am Ende des Zyklus erfolgt ein Review. Welche Ziele wurden zu welchem Grad erreicht. Bei fehlender Zielerreichung eines „realistischen Ziels“ wird eine Erläuterung verlangt werden. Diese soll nicht der Anklage dienen, sondern verstehen helfen, warum die Zielerreichung so nicht möglich war. Neue Ziele können dann passender formuliert werden, bzw. Hilfestellungen gegeben werden. So verbessert sich die Planung iterativ und die Unternehmung wird leistungsfähiger.

Durch die regelmäßigen Überprüfungen OKRs durch Dritte bekommt das initial erwähnte „Panikmonster“ häufiger heraus und kann den „Sofort-Belohnungs-Affen“ vertreiben.

Wer nun hofft, direkt mit der Implementierung der OKRs zu beginnen zu können und damit alle Probleme direkt zu lösen, dem sei gesagt, dass es natürlich wie jede Veränderung der Unternehmensprozesse Zeit und Übung benötigt. Im Zweifel sollte man OKRs schrittweise und hierarchisch gestaffelt nach und nach einführen.

OKRs können den Druck erhöhen und obwohl dies als Maßnahme gegen die Prokrastination sehr wohl gewünscht ist, wird der Umgang damit nicht allen Personen leichtfallen. Die Frage wie man mit Lob und Kritik umgeht, ist hier sehr entscheidend.

Die OKRs nützen also als ein Ansatz, um das regelmäßige vor sich herschieben einzudämmen, auch wenn keine echte Deadline wartet.

Da hier nur ein kleiner Überblick über die Methodik und Wirkungsweise der OKRs gegeben werden konnte, empfiehlt es sich bei der Einführung, durch einen erfahrenen Berater unterstützen zu lassen oder bzw. wenigstens weiterführende Literatur gelesen zu haben.

Interessante Bücher zu dem Thema sind bspw.:

  • Doerr, John. „OKR: Objective and Key Results: Wie Sie Ziele, auf die es wirklich ankommt, entwickeln, messen und umsetzen“, erschienen 2018, im Verlag Franz Vahlen GmbH, ISBN: ISBN 978 3 8006 5774-2
    • Hier werden von vielen Gründern, CEOs oder anderen Managern, erfolgreicher US-Firmen beschrieben, wie sie OKRs eingeführt haben, wie diese erfolgreich damit waren und wo es Schwierigkeiten gab.
  • Doerr, John. “Measure What Matters – OKRs: The Simple Idea that Drives 10x Growth”, erschienen 2018, bei Penguin Random House Ltd., ISBN: 978-0-241-98388-1
    • Beschrieben wird die Methodik der OKRs sowie ihre Wurzeln bei Intel und die Einführung der OKRs bei Google.

Literaturverzeichnis

Urban, T. (22. November 2019). Why Procrastinators Procrastinate. Von Wait But Why: https://waitbutwhy.com/2013/10/why-procrastinators-procrastinate.html abgerufen